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Freud: Schöner Götterfunken
22.03.2008
Warum es quintessenziell wichtig ist, sich spätabends auf ein Schiff zu begeben, um sich das grausliche Ohrenschmalz rausblasen zu lassen. Wir waren bei Freud. Es macht keinen schlanken Fuß, eine Stunde vorm Interview erst aufzuwachen und vom – wie immer – fabulösen Frl. T. darauf hingewiesen zu werden, dass es nun, da die Sonne schon längst untergegangen ist, Zeit wäre, sich langsam einzufinden.

Dort, wo womöglich eine Portion Rock’n’Roll zu schniefen wäre.

Kurz geduscht, ins Taxi gesprungen, vom Taxler ein paar Zettel geschnorrt, am Weg zum Gig noch ein paar Notizen gemacht, 12 Minuten später ist man schon da.

„Mit zwei Monitoren weniger auf der Bühne, was für sechs Leute natürlich Oasch ist.“

Wir sind beim Soundcheck. Der Mann rechts intoniert das wunderbare Wort „Nüsse“ in allen Variationen, Oktaven und musikalischen Ausformungen und ist sichtlich sauer. Der Sänger versingt sich derweil derart schräg in eine atonale Welt des Ohrenkrebs, dass man als abgebrühter Gig-Kenner gleich wieder heimgehen möchte.

Noch schlimmer: Wenn die engagierten Warm-Up-DJ’s versuchen, besser als der Haupt-Act zu sein. Sprich: Die ohnehin nicht zielsichere Sound-Anlage des Wiener Badeschiffs soweit auszureizen, dass sich im sensiblen Laderaum des Schiffs alles nur mehr überschlägt, übersteuert und das Ganze in einem ganz furchtbar grausartigen Sound-Brei resultiert.

„Der Monitor für unseren Gitarristen und Keyboarder hat gefehlt. Ich hab heut auf Glück gesungen, langsame und leise Passagen waren OK, aber laut nicht. Ich will fookin’ hören, was Sache ist.“

Well. Soviel zum Intro. Freud war im Badeschiff. Und ich hab schon lang nicht mehr so ein dauerhaftes Klingeln in den Ohren gehabt wie an diesem Donnerstag. Es war laut, es war unfassbar laut, es war sowas von gut, es war das, was ich mir unter Rock’n’Roll vorstelle: Eine fein eingespielte Band mit einer Frontsau, die auf der Bühne explodiert.

Der Mann am Mikro heißt Axel F. An den Instrumenten: Just F. (drums), John F. (bass), Paul F. (guitar), Oliver F. (guitar) und Ochiro F (keyboard). Ein feiner Aufguss aus dem europäischen Norden, der Insel itself und Vienna Rock City. Aufmerksame Beobachter wissen vielleicht, dass ein Teil der Freud’schen Formation in Sachen Indie-Rock hierzulande nicht unbekannt ist. Den support act für Mr. Paul Weller (The Jam!) darf man sich als Band durchaus in den Lebenslauf schreiben, auch unter neuem Namen.

„War ein Wahnsinnsgefühl, vor diesem Menschen zu spielen, der Dich durch deine Jugend begleitet hat.“

Dass die Herren mit Nachnamen nicht Freud heißen (oder allesamt Brüder sind), ist klar. Jeder Einzelne geht einem Brotjob nach. Und ist auch normal getauft worden.

„In Österreich kannst Du, vor allem mit einer Independent-Band, nichts reißen, vor allem so, dass du sagen kannst, du kannst davon leben. Würden wir Freud so groß machen können, wie ich möchte, würde ich meinen Job aufgeben. Ich nehm Freud ernst, kann aber sehr wohl berufliches, privates – also Freud – sehr gut trennen.“

Freud hat etwas geschafft, was hierzulande ziemlich, ziemlich, ziemlich selten ist: Seit 8 Wochen in den Top10 der Austrian Indie Charts, dazu Powerplay auf gotv – bevor die erste Single („Sex You Again“) überhaupt released wurde.

Der background ist da: Das neue Sublabel von Cheap Records (Cheap Records Rocks) hat Freud unter die Fittiche genommen, für die Promotion ist niemand anderes zuständig als die Damen und Herren von Wohnzimmer Records.

„Album kommt im Herbst raus, wird in England, Deutschland und Japan erscheinen, wenn’s gut geht. Aber zuerst spielen wir flächendeckend Österreich, um Freud bekannt zu machen.“

Wir sind in der Mitte des Gigs, „stage persona“ Axel macht ein bissl auf Liam Gallagher (Tambourine, haha), und es rockt, rockt, rockt und rockt.

Wenn man unbedingt schubladisieren will, wie Freud live klingt (außer unpackbar laut), hier die Einflüsse aus deren eigenen Worten:

“Beatles, Slade, Clash, Charlatans, Supergrass, The View, Wombats, Kooks, Jack Penate.”

Und, wahrscheinlich das schönste Zitat von Sir Axel F.: „Ich glaube, ich würd Kate Nash heiraten.“

Ist wohl das erste mal, dass ich das Wort „fett“ verwende. Aber Freud live ist nix anderes als dickes, fettes, schmieriges Öl, gemischt mit ganz viel Schweiß, Testosteron, ganz großen Gitarren und der spürbaren Liebe zum….

Rock. And. Roll.

Freud, 20. März 2008 (Badeschiff, Wien)
 

22.03.2008, 11:48 von Christoph Löger


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