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No news is good news. Das Picture On Festival 2008
12.08.2008
Im tiefsten Inneren wünschen wir uns ja oft, dass sich nichts ändert und alles so bleibt wie es ist – vorrausgesetzt, es passt. Im Falle des Picture On-Festivals im südburgenländischen Nest (kein Einwohner wird beleidigt sein, wenn man das Dörfchen so bezeichnet) ist das so. Es passt einfach, was man da Jahr für Jahr, immer im August, im örtlichen Stadl bzw. am Platz zwischen Kulturzentrum und Kirche auf die Beine stellt. Das hat Hand und Fuß, sozusagen.
Umso schöner, wenn beide Abende ausverkauft sind und das Wetter bis auf einen unangenehmen heftigen Regenguss von glücklicherweise nur kurzer Dauer auch mitspielt. Eben dieser Wasserschwall verfehlte seine Wirkung – weder der Untergrund, auf dem die Massen tanzen und hüpfen, zeigte sich beeindruckt bzw. beeinträchtigt; auch nicht am nächsten Tag. Und das kann ja geradezu als ein Wunder bezeichnet werden, wenn man an andere Events denkt, wo man solche Bedingungen gerade zu als Selbstverständlichkeit akzeptiert.
Auch Publikum ließ sich Freitag spät Abends nicht irritieren – zumindest die echten Fans der britischen Hardrock-Urgesteine Uriah Heep verharrten, um keine Sekunde der routinierten Show zu verpassen, während der Rest der Meute Zuflucht unter Dächern oder in vier Wänden suchte. Zu schade in diesem Moment, dass die Chillout-Area mit ihren gemütlichen Liegestühlen nicht überdacht war. Noch „schadeer“ (furchtbar und unglaublich falsch, ich weiß) die Tatsache, dass die Bühne (natürlich) überdacht war. So wehte die Haarpracht von Sänger Bernie Shaw und Kumpanen zwar durch den Wind, sie hielt aber (wie in der Werbung) – wie es sich damit bei „Bearbeitung“ durch Regengüsse verhalten hätte, konnte wie gesagt leider nicht eruiert werden. Letztendlich kommt es ja doch nur auf die Musik an – und die war wie erwartet ziemlich lässig und wider Erwarten relativ unpeinlich vorgetragen. Und das gilt nicht nur für die Mitgröhlhits „Lady in Black“ und „Free me“.
Am Nachmittag davor gabs weniger Stimmung und noch bessere Musik, und zwar von Deutschlands derzeit wohl bester Indierockband namens Fotos. Die vier „Hamburger Jungs“ begeistern mit ihrem aktuellen Album live wie erwartet ebenso wie mit den tollen Songs von Debüt aus dem Jahre 2006 – die Resonanz darauf im Publikum war leider absolut unwürdig. Bis auf ein wenig (vor)pubertäres Gekreische gab es für Sänger Tom Hessler und Kollegen leider wenig bis gar keine Rückmeldung. Schade, denn das, was geboten wurde, hatte Klasse. Neue Songs wie die aktuelle Single „Explodieren“ brauchen zwar ihre Zeit, dann überzeugen sie jedoch umso mehr. Genauso verhielt bzw. verhält es sich mit den Tracks vom ersten Werk, welches nach wie vor nicht abgedroschen oder von gestern wirkt, auch wenn man es nach wie vor regelmäßig hört.
Der Headliner am Samstag ebnete auch Fotos den Weg. Sie sind in gewisser Weise Pioniere, die Helden – nicht nur, weil sie mit „bandeigenem“ Kleinkind touren. Deutschsprachige Musik wurde seit dem Durchstarten der Berliner vor fünf Jahren in neuem Licht gesehen/gehört und endlich wieder unbelastet diskutiert. Mittlerweile hat sich die Gruppe, welche am Nachmittag vor dem Auftritt einen (frei- oder unfreiwillig, man wird es wohl nie erfahren) Zwischenstopp im, ähem, lieblichen Oberwart eingelegt hat, im Mainstream wieder gefunden. Diese Entwicklung war abzusehen und dagegen ist prinzipiell überhaupt nicht einzuwenden. Im Gegenteil: es ist in gewisser Weise auch ein Gütesiegel und Qualitätsmerkmal für das Schaffen der Gruppe, die mittlerweile drei Alben auf dem Buckel bzw. in petto hat. Dass man mittlerweile auf Platte und vielmehr live unglaublich langweilig agiert, das kann man der Band anlasten – eine enttäuschende Tatsache. Abgesehen von einigen etwas lustlos wirkenden Variationen der wohlbekannten Songs wird das übliche Programm bieder und kontrolliert heruntergenudelt. Man ist sich im Klaren, das Publikum trotzdem auf seiner Seite zu haben. Und so war es auch bis zum bitteren Ende, welches – was für eine Überraschung – aus den Songs „Nur ein Wort“ und „Denkmal“ bestand.
Im Anschluss steuerten die meisten Besucher geradewegs auf den Indoor-Bereich des Events zu, um sich mit feinen Indierock-Klängen vom Band beschallen zu lassen. Trotz hervorragender Stimmung wandelte sich die Playlist relativ bald zu einer schaurigen 80er-Disco der geschmacklosesten Sorte. Aber es kam noch schlimmer: von Poppolka-Rhythmen ließen sich leicht beeinflussbare und mittlerweile stark beeinflusste Tanzwütige – denn sie wissen nicht was sie tun – zu Dummheiten wie einer Polonaise verleiten.
Ein wahrer Glückfall, dass es sich bei der letzten Band für dieses Jahr, die zeitgleich drußan die Luft "belärmte", um Ektomorf handelte. Die Band, welche im Vorfeld von wahren Musikexperten bereits im Voraus mit der Warnung „Das sind die Soulfly Ungarns!“ beschrieben wurden, traten zum Beweis an, dass es manchmal besser ist, eine 1:1-Kopie der Lieblingsband abzugeben anstatt hie und da zu klauen. Man wähnte Max Cavalera auf der Bühne – zum zweiten Mal nach 2007 in Bildein? Nein, es handelte sich tatsächlich um die Krawallmacher aus dem Nachbarland, welche dafür sorgten, dass immer mehr Leute sich trotz Kälte (ja, 12 Grad ist ja nicht gerade viel für Mitte August, oder?) erneut nach draußen begaben, um nachzusehen und -hören, wer oder was hier denn dafür sorgt, dass die großen Glasscheiben des Gebäudes so vibrieren.
Und was man geboten bekam, war wahrlich sensationell. Auf dem Punkt gebrachter Trash-und mitunter Speedmetal mit heftigen Pausen von der Geschwindigkeit, in denen massiv gegroovt wurde – ganz in Soulfly-Manier eben. Selbst das regelmäßige „Jump tha fuck up!“ klang wie aus der mittlerweile doch sehr ramponierten Kehle des Herrn Max C. Stattdessen war es aber einer seiner vermutlich größten Fans, der hier in die sternenklare Nacht fluchte.
Nach etwa einer Stunde war der Zauber vorbei und die, die so schlau waren, Zeuge dieser Show zu sein, waren taub und glücklich. Noch glücklicher waren jene unter den ohnehin schon Glücklichen, die sich daraufhin gleich auf den Heimweg machten, anstatt sich nochmals in der vermeintlichen Indiedisco foltern zu lassen. Da begibt man sich sogar lieber völlig freiwillig in die mittlerweile zur Tradition gewordene Kontrolle unserer ehrenwerten Exekutive an der nahegelegenen Auffahrt zur Bundesstraße. Manches verändert sich eben nie.
PICTURE ON FESTIVAL, 08. August - 09. August 2008 (Festivalgelände, Bildein)
12.08.2008, 21:12 von T. Hochwarter