S. war unpünktlich. B. war überpünktlich. Die Shout Out Louds im Wiener WUK. In meinen Hintern gebissen hab ich mich schon eine Stunde vor dem Konzert. Als ich vorm Wiener WUK bibbernd in der Kälte stand und auf das wunderbare Frl. S. gewartet hab, mit dem ich grad einen großen Teil meines Kopfs und einen etwas kleineren meines Herzens teile.
Ich hab die Zeit zwar dazu benutzt, beim Schalter am Durchgang in den Innenhof
aus Langeweile und schierem Frost (nicht Frust) zwei Karten für Amy MacDonald zu
kaufen – eine g’scheite Idee, wie sich künftig noch herausstellen wird, weil die
frischg’fangte Schottin immerhin der Auto-Soundtrack zu meinem letzten
UK-Aufenthalt Anfang Dezember war und ihr erstes Album grad No1 im Königreich
ist. So, an dieser Stelle hab ich mich in einen Schachtelsatz verlaufen, aus dem
ich nimmer rauskann, deswegen: Ihr Lieben werdet von Ms. MacDonald an dieser
Stelle zu gebotener Zeit noch Einiges lesen. Am 11. März ist sie im WUK und ich
als hoffnungslos verfallener Verfechter der neuen Britinnen klarerweise dabei.
Wie gesagt: S. kam halt zu spät, das war die eigentliche Tragik dieses
Augenblicks. Geschätzte fünf Minuten vielleicht, aber das war spät genug, um zu
versäumen, dass Bebban mich körperlich gestreift hat zwischen Tür und Angel des
WUK-Beisl’s.
Bebban heißt mit Nachnamen Stenborg und ist der weibliche
Engel der Shout Out Louds, der immer links hinten auf der Bühne steht und von
dem niemand weiß, was er da eigentlich tut außer sehr hübsch, sehr blond uns
sehr schwedisch auszuschauen. Bebban hat also die WUK-Beisl-Tür von innen
aufgemacht und wollte raus, und ich wollte im selben Augenblick rein. Und die
Sonne ging auf. Die Funken haben gesprüht wie nur irgendwas bei dieser
flüchtigen Berührung zwischen ihrem Mantel und meiner Jacke. Auch wenn dieser
Funkenregen wohl allein von meiner postpubertären Vorstellung der Situation an
sich entfacht wurde und der Erinnerung an den Moment, in dem sie aus meinem
Becherchen trank….genug, jetzt wird’s kitschig.
Immerhin war’s dann
lustig, dabei zuzusehen, wie sie komplett anonym zwischen all den
semi-hysterischen Shout Out Louds-FanInnen herumlaufen konnte, ohne Autogramme
geben zu müssen, weil eh alle FanInnen nur auf – den zugegeben onstage recht
charismatischen und noch viel schöneren – Frontmann Adam Olenius gewartet haben.
Es hat sie einfach niemand erkannt im Getümmel. Und bevor ich mich jetzt in
einem Bebban-Konvolut ergehe: Meine einseitig platonisch-unerwiderte Liebe zu
ihr ist
hier
nachzulesen. Wie auch die Entstehungsgeschichte der Band und sonstig
Irrelevantes.
Das WUK ist keine optimale Halle für recht große Kaliber,
wie sie die Shout Out Louds mittlerweile sind in der Größenordnung zwischen 1000
und 5000. Der Gig war ausverkauft, der sozio-demographische Schnitt sehr
weiblich, sehr jung und im positiven sinn picksüß, der verhältnismäßig schmale
(und einzige) Durchgang zwischen Bühne und den sekundär essentiellen Dingen
eines Konzerts (Klo und Bar, oder Bar und Klo – je nach Priorität und
Reihenfolge) lässt beide Vorhaben zu einer 10-Minuten-Sache werden. Einmal für
kleine Jungs oder Mädchen plus zwei Bier holen, da vergehen gut und gern zwei
Songs. In der Arena brauch ich für das Pinkel/Bier-Menü etwa 2 Minuten, im
Planet maximal 3, im von mir trotz aller Kritik heißgeliebten Gasometer meist
nicht mehr als 5 Minuten. Überraschend perfekt dafür: Der Sound. Glasklare
Instrumente, alle Mikros schön austariert, herrlich. Gratulation an die
Sound-Menschen. Angenehm auch die „Für-die-Sicherheit-Verantwortlichen“ (ich
nenn sie deswegen nicht „Securities“, weil sie zu nett waren): Da gibt’s kein
Rucksack-Durchstöbern nach Kameras oder Panzerfäusten (Frl. S. hatte Mantel,
Tasche und ein Sackerl mit – alles blieb undurchforstet). Zudem: FreundInnen
selbstgemachter… ermm …Zigaretten können diese unbehelligt vor Ort
konsum…rauchen.
Als Vorgruppe gab’s die Schweden von Dag För Dag. Das
kann man mit ein bissl Liebe zur Phonetik auch als Österreicher ganz gut
übersetzen. Klingen tut es aber auch so, wie der Bandname impliziert: Wir wollen
das Publikum nicht nerven mit unserer Musik, sondern wir spielen euch was vor,
das in etwa so klingt wie Bastard-Pop zwischen Sigur Ros und Evanescence. In
doppelter Geschwindigkeit, manchmal auch in halber, man weiß es nicht. Das wie
üblich Headliner-fixierte Wiener Publikum hat’s quittiert wie immer: Mit einer
unfassbar ignoranten Nonchalance. Ein großer Teil der ersten (!) Reihe stand mit
dem Rücken zur Band. Und wenn ich kurz ein Sexist sein darf: Die Frontdame wird
in 10 Jahren ein ähnliches Schicksal erleiden wie Joan Baez oder STS: Ich wollt
eh immer Rockstar sein, aber tief drin bin ich halt so irgendwie auch
konservativ, aber trotzdem dagegen. Hatte stimmlich und optisch ein wenig was
von Mischung zwischen 1968 und frigider Religionslehrerin. Sorry for that.
In der Umbauphase werden S. und ich von irgendeinem Konkurrenz-Medium,
dessen Name ich tatsächlich vergessen hab, fotografiert. Drei illuminierte
Jungs, die offenbar zum ersten Mal eine Spiegelreflex-Digicam mit Mega-Blitz
mithaben. Und sich zwischen dem fünften und sechsten Bier mit eben diesem Blitz
spielen. In unseren Gesichtern. Ich beiß mir zum zweiten Mal an diesem Abend in
den Hintern. Diesmal, dass ich keine Cam mithab. Nicht zum Gegenblitzen gegen
die Kiddies, sondern weil das Review, welches du grad liest, ohne Live-Fotos
auskommen muss – Ich war zu faul, sie mitzuschleppen.
Bin nach dem
sechsten Blitz direkt in mein Gesicht am Überlegen, ob ich dem Bub eine anhäng.
Hab ich dann – nur geistig, aber dafür sehr fest – auch gemacht und bin ihm
später beim Konzert mächtig auf die Füße getreten. Dann war a Ruh. Kennen wir eh
alle aus Rocky III: „Adriaaan!!!“
Und dann, endlich, Bebban und ihe Jungs
(Verzeihung ;-), Shout Out Louds heißt die Band: Wortlos begonnen, gleich mit
„Tonight I Have To Leave It“, dem bisher größten Hit der Schweden. War ein bissl
überraschend, weil’s in meinen Augen keine gute Idee ist, als
Noch-Immer-Newcomer in Mitteleuropa quasi 90 Prozent des (sehr, sehr jungen)
WUK-Publikums schon in den ersten 5 Minuten des Gigs den Höhepunkt der Nacht
wegzunehmen. Da waren noch nichtmal die Handys aus den Taschen heraußen, die
besten 20 Freundinnen noch nicht angerufen, die Akkus nicht geladen, die
wichtigsten 63 SMS des Tages nicht geschickt, der Video-Speicher für das, was da
kommen möge, noch nicht gelöscht. Letztes Jahr im Planet Music war’s noch „The
Comeback“, hat mir als Opener besser gefallen. Egal, danach das übliche
Konzert-Gerede, das ich nimmer hören kann: „Our biggest audience yet in
Austria…you’re amazing…“. Blablabla. Vor allem deswegen Bla, weil das Konzert in
der ersten Hälfte etwas hatte, was ganz selten bei einem Indoor-Gig vorkommt (wo
man im Gegensatz zu einem Festival ja wirklich nur DIESE EINE Band sehen will
und dafür bezahlt, und wahrscheinlich nicht für Dag För Dag): Nämlich, dass sich
die Band das Blut aus den Fingern spielt, während das Publikum sowas von
überhaupt nicht warm wird. Der Umkehrbruch kam dann bei „Impossible“:
Schlagartig war auch die Halle da. Auch wenn bei diesem meinem Lieblingslied der
Shout Out Louds dann Bebban’s Stimme teilweise versagt hat und Gitarrist Carl
von Arbin (welch ein Name!) für ihre Überstimme eingesprungen ist – natürlich
weitgehend unbemerkt. Und an dieser Stelle hab ich schon wieder einen begonnenen
Schachtelsatz verloren. Tut mir leid. Lies einfach weiter. Der (Carl) war
überhaupt arm: Zu Beginn der, ich glaub, vorletzten Zugabe ist ihm der
Verstärker (oder zumindest sein Kanal) eingegangen. Tontechniker waren zwar
schnell vor Ort, aber keine Chance mehr. Ein mishap, das Adam (lead guitar) und
Ted Malmros (bass) grandios überspielt haben. Aber auch Adam hat Fehler gemacht:
Im Gegensatz zu den Poser-Rockstars dieser Welt lässt er sich seine Plektren
nämlich nicht mit Tesa-Band (österr.: Tixo, engl./amerik.: duct tape) auf den
Mikroständer picken, sondern hat sie – in der Hosentasche. Und wenn ihm dann
doch mal eines runterfällt (so wie im WUK), und er zuerst in der Hosentasche
herumwurstelt und keins findet und dann am Boden niederkniet, um das verlorene
Plektrum wieder zu finden, dann ist das….nein, kein Fehler…..dann ist das
ziemlich cool.
Im übrigen ist „Very loud“ eine der schlechtesten Nummern
auf „Howl Howl Gaff Gaff“. Aber mein Gott – das Ding ist live ein „dermaßiger“
(dafür bieg ich sogar die deutsche Grammatik und den Duden) Stomper, dass man
mit freudigem Klingeln in den Ohren heim gehen kann.
Was sonst noch
passiert ist?
Bebban trank Ottakringer aus der Dose. Adam Olenius aus der
Flasche. Das nächste Mal erzähl ich ihr die Sache vom 16er-Blech und der
Eitrigen. Sie ist ein Engel.
SOUT OUT LOUDS, 23. Jänner 2008 (WUK, Wien)