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Nova International. Die Augsburger "Fashion Band" im Interview
18.11.2005
Denkt man an Nova International, fallen einem wahrscheinlich kurz vor dem Kollaps befindliche Mädchen ein, die sich bei Auftritten der Band ekstatisch zu Songs wie „Favourite Girl“, „Star“ oder „One Decision“ bevorzugt vor Sänger Michi drängen. Oder man erinnert sich mit einem Lächeln auf den Lippen und im Herzen an die garantiert am Siedepunkt befindliche Stimmung bei dem einen oder anderen Festival, wenn die vier sympathischen Augsburger ihre Instrumente bearbeiteten.

In letzter Zeit ist es etwas ruhiger um die von vielen Kritikern als „Fashion Band“ bezeichnete Formation geworden. Man ging davon aus, dass es Michi Kamm (Gesang, Gitarre, Klavier), Markus Galli (Bass), Michi Dannhauer (Gitarre) und Kris Steininger (Schlagzeug, Gesang) schwer fällt, nach dem fulminanten Debüt „Nova International“ einen würdigen Nachfolger zu präsentieren. Dass hinter der vollkommenen Abkapselung der Band viel mehr steckt, konnte niemand ahnen…

Aber nun ist es endlich soweit – seit kurzem ist „one and one is one“ (Highlights: „Falling In“, „Pilot“) käuflich zu erwerben. Nova International haben es zustande gebracht, sich trotz dem Zerwürfnis mir ihrer ehemaligen Plattenfirma und anderen Schwierigkeiten noch zu übertreffen. Es wäre grob fahrlässig, das neue Album mit dem Vorgänger zu vergleichen, weil dies einfach nicht möglich ist.

Die Band präsentiert sich reifer, ruhiger und erfahrener – das ist zumindest der erste Eindruck. „one and on is one“ steckt voller Überraschungen. Es ist eine Platte, die entdeckt werden will und es einem bei dem einen oder anderen Song auch nicht leicht macht – aber gerade das macht den Reiz am neuen Werk der Band aus. Songs wie „drive in circles“ oder „cowboys only cry when their horses die“ hätte man vor zwei Jahren niemals mit Nova International in Verbindung gebracht. Fest steht: Zumindest musikalisch haben die Deutschen einen Wandel durchgemacht – und das erfreut immer mehr, je öfter man sich ihre neue CD zu Gemüte führt. Ist man zu Beginn von dem einen Song begeistert, lässt einen danach ein anderer nicht mehr los.

Eine Stunde vor ihrem Auftritt im Wiener Chelsea schilderte uns Sänger Michi im „Weberknecht“ ausführlich die Höhen und Tiefen, welche er uns seine Bandkollegen in den vergangenen Jahren durchzustehen hatte. Später stieß auch noch Gitarrist Michi dazu, um sich vor dem Gig noch schnell mit gerösteten Knödeln zu stärken. Die beiden plaudern über den Entstehungsprozess ihres neuesten Werkes unter persönlich und geschäftlich schwierigsten Umständen und verraten die Bedeutung von so manchem eindeutig zweideutigem Songtext...

Danke, dass du dir so kurz vor dem Auftritt Zeit nimmst. Was beim neuen Album sofort auffällt ist, dass es überraschend ruhig ausgefallen ist. Wie ist es dazu gekommen?

Eigentlich ist es ja so, dass im Vergleich zu ersten Platte genauso viele Balladen drauf sind. Die Reihenfolge ist nur anders gewählt und dadurch empfinden es sehr viele Menschen anscheinend als ruhiger. Aber es stimmt schon, wir haben vor drei Jahren als Abschlusskonzert der Tour im Stadttheater Augsburg unplugged gespielt. Außerdem wurden wir durch Streicher unterstützt und haben da gemerkt, dass uns das schon irgendwie liegt. Es hat Spaß gemacht und war ausschlaggebend für den Entschluss, dass auf der nächsten CD einige akustische Stücke drauf sein sollten. Aber wie gesagt, eigentlich ist es dem ersten Album schon ähnlich, nur eben anders gestaffelt.

Wie entstand „one and one is one“? War „weniger ist mehr“ das Motto?

Bei Nova sind die ruhigen Stücke genauso wichtig wie „discoeske“ Songs oder rockigere Sachen. Es ist vielleicht kein zweites „Favourite Girl“ darauf zu finden, aber als wir begonnen haben, für „one and one is one“ zu schreiben, das war Ende 2003 / Anfang 2004, haben wir uns darüber keine Gedanken gemacht. Uns war es wichtig, eine gewisse Wärme auf dem Album zu haben, alles andere hat sich dann von selbst entwickelt. Mögliche Singles, poppig oder nicht poppig, das hat uns nicht beschäftigt. Wir wollten uns im Studio einschließen und so lange werkeln, bis wir uns sicher waren, dass es das ist, was wir wollen. Außerdem war für uns mit dem Debüt diese Synthesizer-Schiene abgehakt. Damals wollten wirs so haben, diesmal eben anders. Emotionale Songs sollten das Hauptthema des ganzen sein.

Wie kam es dazu, was steckt dahinter?

Es wird schon unsere damalige Talfahrt widergespiegelt. Wir haben uns von unserer Plattenfirma getrennt, meine Beziehung und die unseres Schlagzeugers Kris gingen in die Brüche. Auch das Plattencover verdeutlicht diese ganze Gefühlslage.

Bist du mit dem neuen Werk vollkommen zufrieden?

Ich glaub, um so eine Bewertung abzugeben, bin ich an dem ganzen noch viel zu nahe dran. Die Produktion ist noch nicht lange her und wir stecken mitten in der Promotion, deswegen habe ich nicht wirklich einen Abstand zu all dem. Ich kann nicht sagen, ob das die Platte ist, auf die ich in drei Jahren immer noch stolz bin. Momentan bin ich aber wirklich zufrieden; vor allem, weil ich weiß, dass wir uns das vollkommen selbst erarbeitet haben. Wir haben die ganze Produktion selbst finanziert, die CD im eigenen Studio aufgenommen und auf unserem eigenen Label rausgebracht. Wir haben außerdem mit zwei hervorragenden Produzenten [Phil Vinall und Olaf O.p.a.l. – Naked Lunch, The Notwist etc., Anm.] zusammengearbeitet, die gar nicht für Geld arbeiten wollten, weil sie die Songs so toll fanden. Diese Umstände waren eigentlich sehr schwierig für uns, aber im nachhinein gesehen ein großer Schritt.

[Gitarrist Michi Dannhauer stößt zu uns, Anm.]

Michi, unterstütz mich, ich werde hier beinhart verhört!

„Cowboys Only Cry When Their Horses Die“ – wie fällt einem so etwas ein, wie kann man das verstehen?

Einerseits machen Kris und ich recht viel Filmmusik und Werbung und wir stehen irgendwie auf alles, was in diese Cowboy-Richtung geht. Andererseits weiß ich, dass es bei Nova im Studio nichts gibt, was nicht erlaubt ist – genau das ist es, was mich an dieser Band so reizt. Was „Dance In Berlin“ auf „Nova International“ war, ist jetzt irgendwie dieses Cowboys-Lied. Für viele Leute ist es ein Statement, für viele ein großes Fragezeichen. Wir haben dabei einfach nur wahnsinnig viel Spaß dabei gehabt. Bei diesem Song ist im Studio praktisch der Gaul mit uns durchgegangen. Die Frage, die hier gestellt wird, ist: „Wann weinen eigentlich richtige Männer?“ Eben nur, wenn ihre Pferde sterben. Jeder kann das für sich selbst interpretieren.

Habt ihr für die Aufnahmen des Nachfolgewerks zum erfolgreichen Debüt großen Druck von außen verspürt oder euch den eher selbst gemacht und welchen Stellenwert nimmt hier die Gründung eures eigenen Labels „NI Music“ ein?

Am meisten haben wir uns selbst unter Druck gesetzt, weil wir einen besseren zweiten Schritt machen wollten, dem ganzen praktisch noch etwas draufsetzen. Deswegen haben wir uns auch dazu entschlossen, unser eigenes Studio bauen zu lassen, weil wir lange und hart daran arbeiten wollten. Die Finanzierung des ganzen war aber zu keinem Zeitpunkt klar. Da hat sich die BMG uns gegenüber schon mies verhalten, weil wir nicht wussten, ob wir unseren Vertrag behalten oder nicht. Es wurden viele Leute entlassen und wir haben das ganze schon als hinhalten empfunden. Da haben wir uns dann schon Gedanken gemacht. Wir hatten das Gefühl, dass es mit ihnen weitergeht, wenn wir einen Hit haben. Letztendlich wollten wir uns die Diskussionen darüber, was ein Hit denn eigentlich ist und ob wir das auch wollen, viel zu mühsam.

Habt ihr das ganze auch als Vertrauensentzug empfunden?

Auf jeden Fall. Wir haben geahnt, dass die Platte, die wir machen wollen, wahrscheinlich nicht die Platte ist, welche die BMG will. Dann fragt man sich eben, ob man sich künstlerisch dorthin bewegen soll, wo einen die Plattenfirma haben will – oder man macht von innen den Riegel zu und produziert das Album zu hundert Prozent so, wie man es selbst möchte. Das war uns dann natürlich wichtiger und es ist uns zum Glück auch gelungen.

Was entgegnet ihr Kritikern, die euch nur als quasi-gecastete Boygroup sehen?

(lacht) Ja, wer sagt denn sowas? Also als Boygroup wurden wir in dieser Form noch nicht bezeichnet, glaub ich. Was man halt des öfteren zu hören bekommt geht eher in die Richtung „Frisurenband“ und so. Zur neuen Platte habe ich als positives Echo vernommen, dass wir jetzt mehr Ecken und Kanten haben im Vergleich zur sehr poppig produzierten ersten CD. Aber wenn wir uns jetzt über Imagefragen Gedanken machen, können wir uns gleich eingraben. Wenn, dann haben wir uns selbst gecastet und das stimmt so auch nicht. Uns geht es darum, dass die Leute den Schritt mit „one and one is one“ verstehen. Das ist uns sicher das wichtigste.

Für alle, die es nicht wissen: Wie habt ihr euch kennengelernt?

Da Augsburg ja nicht sooo unübersichtlich ist, hat sich das ganz unspektakulär durch verschiedene Bekanntschaften ergeben: in der Schule, bei einer Party, beim Tennis. Dann trifft man sich eben, das war also ein natürlicher Prozess (lacht). Also von Casting oder so ist da weit und breit keine Spur. Du hättest uns sehen sollen, wie wir ausgesehen haben, als wir angefangen haben (lacht).

Was sagt ihr zu der allgemein verbreiteten Meinung, dass ihr eine Gruppe für Mädchen zwischen 12 und 20 seid?

Finde ich schön! Tatsache ist aber, dass es von Hamburg bis in den Süden ein Altersgefälle von 20 Jahren gibt. In Wien sind wir eher die Teenie-Band – was toll ist, denn die sind sehr euphorisch auf den Konzerten und ich finde, sie identifizieren sich auch noch sehr mit einer Band. Es ist witzig, wenn man in Wien durch den Naschmarkt geht und Autogramme geben muss. Treten wir in Hamburg auf, stehen da die Mitte bis Ende 20jährige Hornbrillenträger, die sich keinen Zentimeter bewegen. Ich habe den Eindruck, dass die das ganze eher künstlerisch betrachten, da fühlt man sich irgendwie auch wohl. Es ist also tatsächlich so, dass wir nicht überall diese Teenie-Fangemeinde haben, sondern das ist geographisch abhängig. Es hängt auch davon ab, ob wir einen großen Act supporten oder die Leute selbst überzeugen müssen. Sind wir wo nicht so bekannt, sind es eher die Musikliebhaber, die sich vorher gegenseitig informieren. Es hängt auch von der medialen Präsenz ab, die natürlich sehr variiert. Letztendlich steht für uns aber unsere Musik im Mittelpunkt. Ich mach mir keine Gedanken darüber, was ich morgen anziehe und wie das aussieht oder „Hauptsache, wir haben eine lustige Frisur am Kopf“. Gerade bei diesem Album steckt so viel Herzblut drinnen und wenn ich aufstehe, hab ich sowieso meine Frisur. Trotzdem ist es schon traurig, wenn die Leute uns nur über unseren Style definieren und sich darüber Gedanken machen, was wir damit ausdrücken wollen. Das ist lächerlich. Styling und diese ganze Schiene ist natürlich ein Element des ganzen, aber letztendlich haben wir eine Platte gemacht und kein Fashion-Magazin. Deswegen geht es uns um unsere Musik, sonst könnten wir ja auf den Laufstegen dieser Welt herumstolzieren und das würde ziemlich albern aussehen, denke ich.

Wie würdet ihr aus eigener Erfahrung die Medienpräsenz und das Feedback in Deuschland bzw. Österreich beurteilen?

Mit FM4 habt ihr auf jeden Fall einen Trumpf im Ärmel. Gerade bei dieser Produktion ist uns aufgefallen, dass die Promotion mit einem kleineren Label im Rücken genauso gut funktioniert hat wie mit der BMG. Das zeigt schon, dass es ein Major-Label von vornherein nicht alles besser macht. Ich würde sogar sagen, dass wir es diesmal mit unseren kleinen Agenturen, die mehr arbeiten, besser hinbekommen als mit der BMG. MTV ist schwierig, wo Musikfans mit irgendwelchen Daily Soaps zugekleistert werden. Die spielen mittlerweile halt nur mehr das „Top Of The Pops“-Programm. Insofern find ichs schade, andererseits gibt es auch andere Medien, die ähnlich effizient sind und man muss nicht stolz darauf sein, bei MTV gespielt zu werden.

Das sollte ja auch nicht das Ziel sein – bei MTV präsent zu sein, um sich fertigzumachen, falls nichts daraus wird, oder?

Du sagst es.



Wie findet ihr Wien?

Also Wien ist mittlerweile so etwas wie unsere Wahlheimat und Lieblingsstadt.

Habt ihr noch euren tollen Auftritt beim Donauinselfest 2003 in Erinnerung?

Ja, natürlich! Eines der besten Konzerterlebnisse überhaupt.

Was macht das Besondere an Wien aus?

Es ist so eine Art guter Zwischenweg, wenn man es zum Beispiel mit Berlin und München vergleicht – Wien ist nicht so abgefuckt wie Berlin und hat kulturell genauso viel zu bieten. Ich war im Winter noch nie länger hier, das ist ja angeblich der Horror, aber grundsätzlich ist es immer wieder schön, nach Wien zu kommen. Wir haben hier nur gute Erfahrungen gemacht (lacht).

Wo geht ihr in Wien weg?

Also auf jeden Fall am Gürtel, so viel kennen wir sonst eigentlich auch nicht. Dann enden wir meistens irgendwo. Man hat ja alle Clubs an einem Platz und dann gibt’s für uns noch das Hotel. Aber auch die ganze Touristengeschichte haben wir schon abgehandelt, also Museumsquartier und so. Im Prater waren wir natürlich schon, den ersten Bezirk kennen wir ebenfalls. Aber es ist wirklich wunderschön. Den Stephansdom sind wir auch schon mal raufgestiegen – aus sportlichen, aber natürlich auch aus historisch-kulturellen Gründen (lacht). Oder einfach nur im Kaffeehaus zu sitzen oder durch den Naschmarkt schlendern, also von daher ist Wien ein Traum! Da könnten wir stundenlang schwelgen.

Und wie wars heute bei PulsTV?

Sehr nett, wirklich. Man wurde auch so richtig geschminkt, ich hab das Zeug noch immer drauf, glaub ich. Also wunder dich nicht über meine etwas ungesund anmutende Gesichtsfarbe, ich bin etwas bleich heute (lacht). Was ist denn PulsTV eigentlich?

Ein Wiener Stadtsender, eigentlich noch in den Kinderschuhen. Meist recht interessant, aber doch noch in der Findungsphase und verbesserungsfähig, sagen wirs einmal so...

Ja, aber die Sendung [„metro“, Anm.] war schon sehr faktenbezogen und so. Und toll moderiert!

Toller Host [Mel Merio, Anm.], oder?

Ja, toller Host...

Habt ihr Probleme, wenn Songs wie „Star“ falsch interpretiert werden?

Muss man auf jeden Fall differenziert sehen. Ich hab mir einmal ein dickes Auto gekauft, das musste ich aber bald wieder verkaufen (lacht). Das einzige, was wir mit der Band schaffen wollen ist, davon leben zu können. Im Moment können wir das gerade einmal so, um nicht auf der Straße sitzen zu müssen. Es macht aber auch Spaß, in die ganze Sache zu investieren. Den „pink fat Cadillac“ kann ich mir als Spielzeugauto kaufen (lacht). Die Illusion, die man hatte, auf dem Bett herumgesprungen mit der gerade gekauften ersten Gitarre, „i wanna be a star“ gesungen, die ist schon einige Jährchen her. Und, wenn man ehrlich ist, große Stars gibt es nur noch zwei, und das sind Madonna und Robbie Williams – und alles andere ist eine schöne Zeit.

Was denkt ihr heute über Artwork und die Fotos eures Debütalbums?

Ich steh da immer noch voll dahinter, obwohl es sich um das Design und die Fotos handelt, für die wir uns damals entschieden haben. Die ganzen Synthie-Geschichten haben wir damals eben gemacht und diesmal kam das nicht mehr in Frage. In meinen Augen waren es die Songs, die unser dasein als Band damals festhalten. Viele meinen, wir haben uns damals zu sehr von der BMG beeinflussen lassen. Die waren jedoch nie im Studio mit dabei oder auch vorher ins Songwriting miteinbezogen. Das ist alles auf unserem Mist gewachsen und deswegen können wir nach wie vor die Platte verkaufen und sagen „das sind wir“.

Euer Debüt und die Singles daraus waren ja außerordentlich erfolgreich. Was konkret waren die Schwierigkeiten mit dem Major-Label?

Ich glaube, wir hätten zehn Mal soviel verkaufen können und hätten keinen neuen Deal bekommen. Wir können wirklich zufrieden sein, wenn ich an die Verkaufszahlen denke. Vor allem, weil diese deutschsprachige Welle gerade in den letzten Jahren extrem im Aufstieg begriffen ist und wir als englischsprachige Band da schon mithalten mussten. Da war dann in weiterer Folge der Druck von seiten der Firma auf uns brutal, weil wir den Eindruck hatten, dass nur noch der Profit im Mittelpunkt steht. Es hatte doch den Anschein, dass man zeigen wollte, es wird hier ja nur investiert und es kommt nichts raus. Das machte das ganze für uns nicht einfacher und deswegen ist es eben dann so gekommen. Es war aber auch so, dass immer, wenn wir das Gespräch suchten, niemand zu erreichen war. Da heiß es dann, der is gerade im Urlaub und der auch. Vor der Popkomm waren alle im Urlaub und danach war wegen der Popkomm keiner erreichbar. Ich kann mir in keiner freien Wirtschaft auch nur ansatzweise irgendein Unternehmen vorstellen, das bei soviel Urlaubszeit von Entscheidungsträgern Gewinne macht. Dass die Plattenfirma überhaupt noch existiert ist ein Wunder. Aber das alles haben wir ja hinter uns gelassen und beschäftigt uns nicht mehr.

Ich habe gehört, du bist gerade in den Endzügen deines Studiums?

Ja, vorgestern hab ich meine letzte Abschlussprüfung hinter mich gebracht. Nach all den Jahren hab ich mein Magisterstudium in Amerikanistik, Musik und Psychologie abgeschlossen. Es war ein harter Ritt, aber ich bin doch zufrieden. Vor allem, weil ich das immer vor mir hergeschoben habe und ich mehrmals kurz davor war, es endgültig zu kicken. Letztes Jahr hatte ich dann die Eingebung, ich muss das zu Ende bringen. Alle anderen sind mehr oder weniger nach dem Zivildienst bei der Musik gelandet und hängengeblieben.

Wenn ich an die Textzeile „i do agree that it’s good to be far away from home“ – müssen sich eure Fans Sorgen um euch machen? Ich stelle mir darunter vor, dass hier eure ups and downs im Tourbus abgearbeitet werden.

Das ist es eigentlich. „Auf Tour sein“ hört sich ja unheimlich spannend an. Es macht schon sehr viel Spaß, nur kommt es einem manchmal wie im Schullandheim vor, nur mit dem Unterschied, dass man jeden Tag in einem anderen Bett schläft. Ab dem vierten oder fünften Tag macht einen dieses Sitzen im Tourbus so fertig. Es kommt einem vor wie in einer Luftblase und irgendwann macht es „blubb“ und dann muss man wieder auspacken, aufbauen und den Soundcheck machen, ein Konzert geben – es ist halt immer dasselbe. Trotzdem ist es gut, auch einmal von zu Hause weg zu sein, aber es ist so etwas wie ein emotionales Wellental. Das normale Alltagsleben geht eher so dahin, auf Tour hingegen hat man extreme Hochs und Tiefs. Oft ist man total aufgedreht, dann kurz vor der Psychiatrie. Wenn man länger nicht unterwegs ist, möchte man schon auch wieder losziehen. Dann bekommt man total Bock darauf, endlich wieder aufzutreten. Und vor allem bekommt man das wirkliche Feedback nur live ...

... und da merkt man dann auch, warum man es macht, oder?

Genau. Da kann man noch so gute Rezensionen bekommen oder online etwas lesen.

Welches Konzert habt ihr zuletzt besucht?

(Michi Dannhauer) Also ich war gestern bei „Die Herren Polaris“, das ist eine Band aus Augsburg. Ich hab mir gedacht, ich geh mal weg zur Feier des Tages, weil ich in den letzten drei Monaten lernen musste. Außerdem hab ich Nada Surf gesehen. Eine der ganz großen Bands, die haben unplugged in München gespielt.

(Michi Kamm) Mein letztes Konzert, da muss ich überlegen, das war glaub ich Moneybrother in Augsburg. Ich freu mich extrem auf das Konzert von Elbow, meiner Lieblingsband, die spielen nämlich an unserem off-day in München.

Die letzte erstandene CD?

(Michi Kamm) Hab ich mir vor kurzem erst gekauft: Hard-Fi, großartige Band.

Anajo sind ja auch aus Augsburg...

Ja, sind sie. Roman Fischer auch, also eine wahre Talenteschmiede. Irgendwie schaffen wir es. Das ist auch schön, weil es war so lang tote Hose in der Augsburger Szene und jetzt gibt es doch viele Leute, die den Namen raustragen und das ist wirklich gut.

Euer erstes Album wirkte perfektionistisch in Sachen Sound, jetzt kommt es anscheinend auf das an, was fehlt und man muss schon genauer hinhören. Wie seht ihr das?

Also ich glaube, wir sind eine Band, die es im Studio sehr genau nimmt. Da sind wir auch pedantisch und zerreissen uns mehrmals am Tag. Wir legen uns selbst die Messlatte immer am höchsten. Diesmal war es so, dass unzählige Fragmente vorhanden waren und uns so viel durch den Kopf ging, dass wir selbst nicht wussten, wohin dieses und jenes führt und was letztendlich dabei rauskommt. Das beste Beispiel dafür ist „cowboys only cry when their horses die“. Dieser Song hätte auch ganz anders werden können. Jetzt ist er vor allem so wegen der persönlichen Note und das ist gut so. Gerade bei diesem Song weiß ich ganz genau, dass wir drei Schlagzeuge aufgenommen haben, vier Akustikgitarren und 120 Stimmen im Chor. Wir hatten da auch sehr viel Spaß dran. Jeder werkelt für die Produktion am Computer und es kommen dann die verschiedensten Ideen aus den Zimmern. Das ist ein genauso bedeutungsvoller Part für uns wie auf der Bühne zu stehen und da unseren hohen Ansprüchen gerecht zu werden.

Ihr seid ja mittlerweile zu fünft, „Jackson“ unterstützt euch on stage.

Dies hat vor allem den Grund, weil wir die neuen Songs zu fünft viel besser umsetzen können als zu viert. Aber auch wenn wir die alten Stücke spielen fühlen wir uns so wohler. Das ist nur unser eigener Anspruch. Ich denke, jemand anders würde das wahrscheinlich nur marginal erkennen, ob da noch wer dabei ist oder nicht. Es ist aber ganz wichtig, weil wir das ganze letztendlich nur der Musik wegen machen.

An anderer Stelle wurde eure erste CD als „Singlebörse“ bezeichnet. Beim neuen Werk drängen sich einzelne Songs in dieser Art nicht sofort auf, es präsentiert sich eher als geschlossene Einheit. Seht ihr das auch so?

Ich finde es schön, wenn das so empfunden wird und die Platte als Gesamtwerk gesehen wird. Wir wollten ein Album schreiben, in wahrsten Sinne des Wortes. Unsere erste Platte bestand aus Liedern, die wir in einem Zeitraum von drei Jahren geschrieben haben. Jetzt war es so, dass wir das ein einem relativ kurzen Zeitraum geschrieben haben. Wenn man das jetzt als Album sieht, haben wir irgendwas richtig gemacht.

Wenn ihr euch entscheiden müsstet, wärt ihr lieber eine kommerziell erfolgreiche Band oder von Kritikern hochgelobten Musiker?

Ich wär gerne der international erfolgreiche, von Kritikern hochgelobten Musiker. Man muss sich nicht entscheiden, das ist ja der Punkt. Wenn zum Beispiel eine Band wie Tocotronic hunderdtausende Platten verkauft, sind sie dann noch Indie? Wenn Tomte mit ihrem eigenen Label schon zwei Top Ten – CDs herausgebracht haben, ist das noch Independent? Ich sag ja, weil die Haltung da ist, aber kommerziell erfolgreich sind sie trotzdem. Also es ist wirklich kein entweder – oder. Wenn ich nicht mit einem vollen Bankkonto zur Welt komme, muss ich doch versuchen, mit meiner Musik mein täglich Brot zu verdienen, ansonsten sterbe ich in geistiger Zufriedenheit. Was anderes kann mir keiner weismachen. Das ist eine schwierige Frage. Die kommerzielle Ausschlachtung fängt für mich da an, wo jemand was gegen seinen eigenen Willen tut und an dem Punkt waren wir noch nie und da werden wir auch nie hinkommen. Ich finde, bei Coldplay zeigt sich das am besten. Soviel ich weiß, zahlt man für ein Konzert von denen einen siebenstelligen Betrag und er hat „Make Trade Fair“ auf der Hand. Ich denke, wenn ich 70 Euro für eine Karte zahlen muss, kann ich mir auch den Kaffee bei Aldi kaufen, weil ich mir den tollen Kaffee nicht mehr leisten kann.

Was eure weiblichen Fans sicher brennend interessiert: „Let’s Get Romantic“ – was bedeutet denn das, was möchtet ihr damit sagen?

Also ich finde das schön, dass du dich so mit den Texten auseinandergesetzt hast...

Ist da etwas höflich umschrieben...

(lachen) Ja, genauso könnte man das sagen. Also es wird eine Szene des Kennenlernens in einem Club umrissen. Und das sind also die Worte...

... des Charmeurs ...

Richtig! Wenn man den nur den Titel des Songs hört, könnte man meinen, das ist so eine Kuschelballade. Wir beschreiben damit aber die Situation, wenn man am Dancefloor steht, das Licht blitzt, der Beat pumpt, es ist zackenlaut und deswegen schrei ich auch ganz laut „Let’s Get Romantic“. Man muss ja auch schreien, um im Club etwas rüberzubringen. Es ist schon genau das was du meinst, glaub ich...

Könnt ihr auch noch ans Campusrock-Festival 2003 in Fürstenfeld erinnern? Ihr wart damals unter anderem mit Zeronic, Julia und Heinz dabei.

Ja klar. Das war das am Land, in dieser seltsamen Halle voll mit verrückten Teenies, oder? Die haben mich damals an den Jeans fast runtergezerrt und so, das war schon gut. Gibt’s das noch?

Ja. In diesem Jahr waren unter anderem IamX und Virginia Jetzt! zu bewundern. Gibt es einen Lieblingssong auf „one and one is one“?

Also bei „And There She Goes“ sag ich 100 Punkte für uns selbst, aber ich bin noch so nah dran an dem Album.

Ist der Opener biographisch?

Ja, schon. Also es ist eigentlich alles darauf biographisch, von allen Personen zu einem gewissen Teil. Daran haben wir auch gearbeitet. Ich bin besonders stolz darauf, dass wir es geschafft haben, als Band, der nachgesagt wird, die Texte stehen nicht gerade im Mittelpunkt, autobiographische Züge deutlich zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch, viel Spaß beim Konzert jetzt gleich und alles Gute weiterhin!

Danke, es hat uns sehr gefreut.

NOVA INTERNATIONAL, Chelsea Wien, 16. November 2005  

18.11.2005, 21:11 von T. Hochwarter


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