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Interviews
Bayern und England. Atomic im Interview
05.03.2006
Nach jahrelangem Geheimtipp-Status veröffentlichten Atomic vor einigen Monaten ihr Debütalbum „Wonderland Boulevard“. Im Britishrock-Interview verraten „The German Oasis“ (NME), wie sie mit den dauernden Vergleichen mit ihren Vorbildern umgehen und von der Verbreitung von Musik über das Internet halten. Außerdem bekommt man Einblick in einen ganz normalen Tag im Leben der Band aus dem Bayrischen Wald…
Wie seid ihr mit dem bisherigen Medienecho auf euer aktuelles Album zufrieden?
(Thomas)
Wir sind sehr zufrieden. Das Album wurde meist nur positiv bewertet.
Nervt es euch eigentlich, dass ihr nicht nur von nationalen Medien sofort mit Oasis in Verbindung gebracht werden – oder seht ihr das eher als eine Ehre?
(Thomas)
Ich sehe das als normal an, wenn ein Musikkritiker die Band nicht kennt, eine Promo CD bekommt und als erstes mal die Einflüsse raushört. Das ist bei uns eben hauptsächlich Oasis, obwohl es bei unserer aktuellen CD auch einige andere Einflüsse zu hören gibt, die das ganze abwechslungsreicher gestalten. Das haben zu unserer Freude auch viele Kritiker bei den Reviews bemerkt. Beim nächsten Album wird das sicherlich noch intensiver sein. Es ist uns natürlich auch eine Ehre wenn man uns mit einer so großen Band wie Oasis vergleicht aber es nervt uns eigentlich nicht.
Wen würdet ihr als eure musikalischen Vorbilder bezeichnen?
(Thomas)
Oasis, The Beatles, The Kinks, Paul Weller, Ash, The Rolling Stones, Jet, Ocean Colour Scene, Hurricane #1, Cast, Mando Diao, The Verve, Coldplay,…
Gibt es einen Zusammenhang zwischen „Monkey Fingers“, dem zweiten Song auf eurem Album, und „Mucky Fingers“, Track 2 auf „Don’t Believe The Truth“, dem letzten Oasis-Werk?
(Rainer)
Keinen direkten. Natürlich klingt es unglaublich, aber das war wirklich reiner Zufall. Wer uns länger kennt und beobachtet weiß, dass wir den Song „Monkey Fingers“ schon eineinhalb Jahre vor Release der neuen Oasis-Platte live gespielt haben. Ebenso war unser Master bzw. die Tracklist des Albums lange vorher gemacht und lag bekanntlich ein Jahr lang wegen Labelsuche auf Eis. Die Idee zum Songtitel hatte ich eigentlich von den Lyrics des Beatles-Songs „Come Together“.
Wie entstehen eure Songs? Wie geht das Songwriting von statten, was würdet ihr als Inspirationen und Einflüsse bezeichnen?
(Rainer)
Wenn ich mich danach fühle schreibe ich eben einen Song. Meist passiert das wenn ich von einem Konzertbesuch zurückkomme oder Platten höre. Dann bin ich motiviert und will auch einen neuen Song, der da mithalten kann und in diese oder jene Richtung geht – je nachdem, welche Musik ich gerade gehört habe und mir gefallen hat. Derzeit höre ich Marvin Gaye, vielleicht geht also ein neuer Atomic-Song in diese für uns eigentlich untypische Richtung. Wer weiß?
Wie darf man sich den Alltag einer relativ jungen Band wie ihr es seid vorstellen?
(Thomas)
Jeden Tag mindestens 2 Groupies vernaschen!!!
Wie hoch ist der Anteil der Dinge, die man selbst erledigen muss (Promotion etc.)?
(Rainer)
Der Anteil dafür ist verglichen zu anderen Indie-Bands bei uns wohl sehr groß. Die Promotion des Albums haben wir zu 90 Prozent selbst gemacht und finanziert, wie auch schon die Jahre zuvor. Ebenso das Booking. Darauf sind wir natürich sehr stolz weil wir auch schon einige große Sachen an Land gezogen haben. Es wäre aber schon fein, sich irgendwann einmal nur auf das Musik machen konzentrieren zu können. Darauf arbeiten wir hin.
Ganz ehrlich: Ist es euer Traum, Stadien zu füllen? Ist so etwas der Impuls, eine Band zu gründen?
(Rainer)
Ja davon träumt natürlich jeder. Zur zweiten Frage: Nein, bei mir war das kein Impuls eine Band zu gründen. Wer mit dem Ziel Stadien zu füllen eine Band gründet, bringt es meist sowieso nicht weit. Ohne Liebe zur Musik geht gar nichts. Das sind auch die Impulse für mich gewesen.
(Thomas)
Na klar doch ist das unser Traum bzw. einer unserer Träume. Wer denkt schon nicht daran einmal vor tausenden von Leuten zu spielen? Bei uns war das sicherlich nicht der Fall, wir wollten anfangs nur Clubs füllen. Aber so etwas kann schon auch ein Impuls dafür sein.
Gibt es individuelle Vorbilder von jedem einzelnen von euch? Also ein bestimmter Sänger, Gitarrist, Schlagzeuger etc.?
(Thomas)
Liam Gallagher, Richard Ashcroft, John Power und John Lennon.
(Rainer)
Paul Weller, Noel Gallagher, Ray Davies, Steve Cradock und Lennon/McCartney.
(Holger)
Wenn ich ehrlich bin, halte ich nichts von Einzelvorbildern. Ich halte es für wesentlich entscheidender, wenn eine Band gut zusammenspielt und die einzelnen Personen gut aufeinander abgestimmt sind und sich ergänzen. Das macht meiner Meinung nach eine gute Band aus!
(Wolfgang)
Graham Central Station, Tower of Power, Stevie Wonder, Chic, James Brown und Maceo Parker.
Mir kommt es so vor, als hätte im vergangenen, tollen Musikjahr 2005 sich wieder mehr die Qualität durchgesetzt, wenn ich an Bands wie Hard-Fi, Maximo Park oder Arcade Fire denke – im Vergleich zur ersten großen Welle der ganzen „neuen“ Bands, bevorzugt mit einem „The“ im Namen. Seht ihr das auch so?
(Thomas)
Also mir gefallen fast alle der sogenannten „The“-Bands. In meinen Augen sind Mando Diao und Jet auch eine Art „The“-Bands. Also das ist in meinen Augen nichts Negatives. Im Großen und Ganzen ist es schön zu sehen, dass sich immer wieder viele Gitarrenbands durchsetzen, gehört werden und nicht aussterben. Hey Hey My My, Rock’n’Roll Will Never Die! Das ist am Wichtigsten.
Wer war für euch die Band des Jahres 2005?
(Thomas, Rainer)
Ganz klar Mando Diao!
(Holger)
Ich schließe mich dem an. Die Band ist auch live hervorragend.
(Stefan)
Backstreet Boys und Ursprung Buam!!!
(Wolfgang)
Wir sind Helden.
Eure momentanen Lieblingsplatten?
(Thomas)
Das Album „Up Against The Legends“ von The Legends und die neue Single von Richard Ashcroft, „Break The Night With Colour“. Die höre ich zur Zeit rauf und runter.
(Rainer)
„What’s Going On“ von Marvin Gaye, den Soundtrack zu „Goal!“ und das neue The Strokes – Album.
(Stefan)
Tele: „Wovon sollen wir leben“ und „Back To Bedlam“ von James Blunt. Frank Zappa höre ich zur Zeit auch.
(Holger)
Pelzig: “Sage In It’s Place“, Mando Diao: “Hurricane Bar“, Supergrass: “Life On Other Planets“, The Beatles: “The White Album” und “Revolver“, Kashmir: “No Balance Palaces“, Herman Dünne: “Not On Top“ und “Let Go” von Nada Surf.
(Wolfgang)
Das Album „Musicology“ von Prince.
Euer persönliches Highlight des vergangenen Jahres?
(Thomas)
Ich durfte Noel Gallagher in Berlin in den MTV-Studios treffen und Paul Weller haben wir bei einem Treffen in München nach seinem Konzert unser Album „Wonderland Boulevard“ in die Hand gedrückt.
Ist die Verbreitung von Musik über das Internet ein Vor- oder Nachteil für eine Band auf dem Weg nach oben?
(Thomas)
Ganz klar ein Vorteil. Weil man umsonst viel mehr Chancen hat sich auf dem schnellsten Weg in der ganzen Welt zu promoten. Man denke zum Beispiel nur an die Artic Monkeys. Die sind wohl das beste Beispiel.
Wie entstand das tolle Video zu „(You’re) A Shining Star“?
(Thomas)
Das haben wir an zwei Tagen im Januar 2005 in Regensburg gedreht. Zum einem im Live-Club der „Alten Mälzerei“ und noch ein paar Szenen am Ufer der Donau. Das ganze war ziemlich interessant, weil wir vorher so etwas in dem Maß noch nicht gemacht haben. Wir mussten den Song satte 53 Mal Playback durchspielen. Das war schon sehr anstrengend, zudem ich am Vortag bis um fünf Uhr Früh am saufen war, da war das für mich schon ein Horroract. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt wenn man sich das Ergebnis ansieht.
Wer ist für die beeindruckenden grafischen Effekts darin verantwortlich?
(Thomas)
Das ist Timo Lauber von den Las Vegas Boys (www.lasvegasboys.de) aus Regensburg, ein wirklich netter und fähiger Mann mit sehr viel Talent. Von Ihm wird man noch sehr viel hören in Sachen Musikclips, da sind wir uns ganz sicher.
Habt ihr euch beim Video ganz bewusst für eine klassische „er findet sie“ – Lovestory entschieden?
(Thomas)
Ja, definitiv. Das war vorher schon allen klar. Rein vom textlichen her hat das bei dem Songs perfekt gepasst und so wurde das dann auch durchgezogen.
Ich bin der Meinung, dass eure Musik früher, beispielsweise auf eurem Release „The Big Issue“ irgendwie geradliniger war. Heute empfinde ich eure Songs als variantenreicher und etwas durchdachter. Teilt ihr diese Ansicht?
(Thomas)
Ja, ein Grund dafür ist auch, dass wir uns selbst musikalisch weiterentwickelt haben. Ebenso, dass wir im Vergleich zu damals mit Stefan, Holger und Wolle jetzt bessere Bandmitglieder an unserer Seite haben, die dann doch auch andere Musik als mein Bruder und ich hören. Dann ist es klar, dass mehr verschiedene Einflüsse zusammenkommen und es dann auch variationsreicher wird. Am Anfang, bei „The Big Issue“ [außerordentlich oft verkauftes, in Eigenregie produziertes und vertriebenes EP-Album; Anm. d. Red.] haben wir uns einfach Gitarre und Mikrofon gepackt und losgerockt – That’s it!
Vielen Dank, dass ihr euch Zeit genommen habt. Viel Erfolg weiterhin!
ATOMIC, Interview vom 02.03.2006
05.03.2006, 21:05 von T. Hochwarter