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Interviews
Männer und Technik. Placebo in der Arena Linz.
11.06.2007
Placebo sind auf Tour. Nein, eigentlich müsste es heißen: Placebo sind noch immer auf Tour. Seit Februar 2006 ist die Band – mit Ausnahme von zwei Monaten – ständig unterwegs. Und so spielten die Briten am zweiten Samstag im Juni in der Intersport Arena in Linz ihr zweites Österreichkonzert innerhalb nur eines halben Jahres.
Vor eben jenem halben Jahr schrieb Christoph Löger nach dem Auftritt in der Wiener Stadthalle auf britishrock.cc, dass Placebo oder vor allem Brian Molko nicht aus diesem Universum stammen könnten. Engelsgleich war eines der Worte die er benutzte und ich gebe ihm Recht: Brian Molkos Stimme ist tatsächlich außerordentlich. Aber ihn als außerirdisches Wesen zu bezeichnen ginge zu weit. Im Gegenteil, Placebo zeigten sich in Linz überaus menschlich: Freundliches Gequatsche (auf Deutsch), eine Spur Verwirrtheit über den Auftrittsort (Brian sang aus Versehen über Graz) und die Bitte um Ruhe vor dem Konzert (keine Interviews). Irgendwo muss das ewige Touren langsam Spuren hinterlassen. Doch das Publikum in Linz erlebt keine ausgepowerte Band, ganz im Gegenteil.
Doch immer der Reihe nach. Kurz nach acht Uhr betreten drei Finnen namens Manboy die Bühne, während ich noch immer mit Evaline als Vorband gerechnet hatte. Nach einer kurzen „We come in peace“-Ansage plätschert die nächste halbe Stunde einigermaßen unbeeindruckend dahin, die drei Jungs spielen (umgeben von Nebelschwaden und schummrigem Licht) Rock, der nicht im Kopf bleibt.
Und so kommt der Zeitpunkt, an dem jeder nur noch auf Brian, Stefan und Steve wartet. Es ist in der Halle mittlerweile unglaublich heiß, die ersten Kreislaufschwachen werden von den Securities aus der Menge gezogen. Die – zum Teil sehr jungen – Fans in der ersten Reihe beginnen um Wasser zu betteln, das schließlich eimerweise angeschleppt wird.
Die Securities spielen Kellner, bis kurz vor 21 Uhr das Intro zu „Infra Red“ ertönt und Durst mit einem Schlag nebensächlich ist: Placebo übernehmen die Bühne, in der Halle bricht unter 5000 Menschen pure Begeisterung aus.
Nach „Because I Want You“ und „Meds“ gibt es erst einmal eine kleine Begrüßung. „Hallo, ich heiße Brian. Wo bekomme ich hier ein Taxi zum Klo?“
Mr. Molko spricht niedliches Deutsch mit französisch klingendem Akzent, einige Lieder später hört man noch mehr davon. Stefan hat Schwierigkeiten mit seinem Bass und Brian beginnt zur Überbrückung der Zeit wieder zu plappern: „Es sieht so aus als hätten wir ein Problem mit der Technik. Ich habe ja kein Problem mit Technik, aber ich habe ein großes Problem mit Menschen.“
Dieses Problem äußert sich in Linz keinesfalls, Placebo spielen eine Set von 15 regulären Songs plus drei Zugaben (siehe Setlist Foto). Die letzten drei Lieder hätten meiner Meinung nach in umgekehrter Reihenfolge besser geklungen, denn auch wenn noch „Taste In Men“ (zu dessen Abschluss Stefan fünfmal „Männer“ brüllt) und „20 Years“ folgen, das Kate Bush Cover „Running Up That Hill“ wäre ein fantastischer Schlusspunkt für ein fantastisches Konzerts gewesen. Die Band verlängert den Song um das Doppelte in dem sie einen vierminütigen Instrumentalteil anhängen. Brian spielt kniend vor den Boxen, Stefan hat den Kopf zurückgeworfen, als wäre er in seiner eigenen Welt. Vor der ersten bis zur letzten Minute erzeugt das Lied Gänsehaut und man erlebt das, was die meisten Journalisten den Placebo-Effekt nennen.
Ich genieße und schicke ein SMS an Kollegen Löger, dass ich jetzt verstehe was er letzten Dezember versucht hat zu erklären: Placebo-Konzerte beeindrucken.
PLACEBO, 09.06.2007 (Intersport Arena, Linz)
11.06.2007, 14:55 von Klara Trautner