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I m at loss, cant figure it out Album release "Cloud 9", live at Chelsea, Vienna
24.05.2008
Das mit dem Herzblut ist so eine Sache. Einerseits will man die Dinge, die einen beschäftigen und beschäftigt, verletzen und verletzt, gefreut und enttäuscht haben, mit der Welt da draußen immer teilen, andererseits sind sie oft so intim, dass der schmale Grat zwischen schmerzlicher, persönlicher Offenbarung und öffentlich bestimmtem Storytelling sehr, sehr, sehr schmal ist.

Tut einem jemand weh oder was Schönes an, will man’s jedem sagen und gleichzeitig auch nicht. Je nach Situation nimmt man eine Rolle ein, die es in der Außenwirkung zu spielen gilt, ohne Rücksicht auf das Eigentliche zu nehmen – das depperte Ego.

Christoph Hartmann balanciert auf diesem Grat ziemlich fein. Unter dem Namen „Cloud9“ hat er ein Album veröffentlicht (‚Money can’t Buy my Cloud Nine’), das einerseits eine veritable und ziemlich heftige Seelenöffnung ist, andererseits aber das – nennen wir es – „Britische“ im Leben stets durchklingen lässt. Und dieser britische Zugang zum Tagesgeschehen wiederum echte Probleme und kleine Wehweh’s meist ganz gut unter dem feinen Wörtchen „Alltag“ subsumiert.

Bis hierher gelesen und keine Ahnung, um was es geht? Gut so.

Als ich das Album lang vor dem Release (Live-Review s. unten) erstmals in Händen hielt, war mir nicht ganz klar, was ich damit anfangen sollte. Da war zuerst der Opener – „The Miss Out“ – der mir anfangs extrem gut gefallen hat: Eine schöne Hommage an die die neuen, braven Engländer a la Snow Patrol, Coldplay oder Editors. Toller BBC-Radio One-tauglicher Piano-Gitarrenrock ohne Ecken und Kanten. Eine potentielle Hit-Single, die aber leider (so wie ihre Vice-Versa-Brüder und Schwestern namens „Chasing Cars“, „Speed of Sound“ oder „Racing Rats“) unfassbar schnell fad wird. As heard on Ö3, thank you, we move on. Get a life.

Und dann kam der Rest des Albums. Und mit diesem Rest an einem gewittrigen Wiener Mittwoch Nachmittag auch der erste Sommerregen. Ich saß auf der Dachterasse, ein Glas Rotwein in der Hand, die Wolken haben aufgemacht und wie’s der Zufall so will, kam in dem Moment grad Cloud9’s „You mean so much to Me“ aus den Boxen. Ich blieb draußen sitzen, hab die Brille runter genommen, mich durchregnen lassen und hab zugehört. Lange. Sehr lange. Bis zum Schluss der CD. Und dann nochmal. Waschlnass, alles. Aber gutes Gefühl.

“Money can’t Buy my Cloud Nine” ist ein Album, das der gemeine Musik-Schreiberling einen ‘grower’ nennt: Hör’s dir das erste Mal an und du bist enttäuscht. Hör’s dir das zweite Mal an und du findest ein, zwei Nummern, die du eventuell bei der nächsten langen Auto-Fahrt am gebrannten Sampler hast. Beim dritten Mal spottet man eine Lieblingsnummer. Ab dem sechsten Mal nimmst du das Booklet raus und beginnst, die Lyrics zu lesen. Ab dem zehnten Mal weiß man nimmer, warum man dies Kleinod beim ersten Anfassen so stiefmütterlich behandelt hat.

Die Songs spielen dermaßen naiv und nonchalant mit späten Beatles-Zitaten, dass sich die Herren Gallagher gehörig in den Allerwertesten schämen können. Es ist schließlich ganz einfach, das „Imagine“-Intro in „Don’t Look Back in Anger“ zu verbraten, aber grandiose Cloud9-Nummern wie „Sham“ oder (mein absoluter Favorit) „The Ocean Song“ würden im Gegensatz zu den Gallagher’schen Prolo-Derivaten ziemlich hervorragend und smooth auf die „Revolver“ passen. Es würde niemandem auffallen. Ich lehn mich sogar soweit raus, dass ich der festen Meinung bin, Sir Paul McCartney müsste sich heutzutage fix anstrengen, solche Beatles-Songs zu schreiben wie Hr. Hartmann es gerade getan hat.

Sodala: Aber jetzt live. Chelsea, 22. Mai 2008, 22 Uhr.

„Joe“ ist zwar kein Bühnen-Rookie (ganz im Gegenteil, die Bio spricht Bände, s. Links unten), man sieht ihm aber an, dass er seit mehr als einem Jahrzehnt nimmer auf einer größeren Stage stand. Nicht falsch verstehen: Der Mann ist technisch und musikalisch definitiv im obersten Level der (nicht nur) heimischen Singer/Songwriter zu suchen, die Stimme war kein einziges Mal nur annähernd falsch (was bei den nicht unkompliziert arrangierten Cloud9-Songs als ausdrückliches Kompliment gelten soll). Die Nervosität, die in den durchwegs uninspirierten Publikums-Ansagen mitschwang, war aber das Produkt der Schwierigkeiten, die diesem Gig vorausgingen. Viel Zeit hatte er nämlich nicht, um die Live-Band zu versammeln. Unter der übrigens keine Unbekannten sind: Am Keyboard und der Quetsch’n vergeht sich etwa der Hr. Rudi Hebenstreit. Den kennt man von allerlei Sachen, zum Beispiel den „Hidden Cameras“ oder „Go Die Big City!“. Ludwig Ebner und Alex Horstmann hat man im Zusammenhang mit „Denk“ schon öfters gehört. Tobias Natter streichelt die Töpferl. Aber wurscht: Es wär nett gewesen, ein bissl mehr mit der audience zu kommunizieren.

Ansagen wie: „Die nächste Nummer ist eine über…..*pause*…..das Leben an sich…..und….*pause*…….wurscht, spü ma!“

… sind insofern schad, weil man damit den tatsächlich wunderbaren, ruhigen Geschichten, die die Cloud9-Songs erzählen, den ganzen Sex weggenommen hat.

Wer diesen negativen Schluss-Satz als negatives Review verbucht, hat nix verstanden. In diesem Fall zurück an den Start und nochmal lesen.

Wir haben es hier mit einem bis ins kleinste Detail ausgefitzelten und sowas von wunderschönem Album zu tun, das in erster Linie der Soundtrack zum Leben ist und mit einer gehörigen Portion Liebe und Geduld gemacht wurde. Man findet alle Höhen, Mitten und Tiefen eines Durchschnitts-Menschen, der im normalen Leben stets den „lieben Joe“ gibt. Und wenn man ganz genau zuhört, beginnt man nachzudenken. Und kommt drauf, dass der „liebe Joe“ in Verbindung mit dem eigenen Kopf einem eigentlich gar nicht passt. Weil man’s selber nicht ist, sein kann und … nicht sollte. Wenn’s einem Arsch geht, dann bitte rausschreien. Und wenn’s einem gut geht, dann auch. Verdammtnochmal, Leute – zeigt Gefühle!

Die CD ist über beide untenstehende Links oder im gut sortierten Handel erhältlich.

Anspieltipp: „You Mean So Much To Me“

CLOUD 9, 22. Mai 2008 (Chelsea, Wien)  

24.05.2008, 10:39 von Christoph Löger


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