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Gelungene Premiere in St. Pölten. Das Frequency Festival 2009
28.08.2009
Es war das Highlight des österreichischen Festivalsommers 2009. Vom 20.-22. August tummelten sich rund 120.000 Musikbegeisterte am Gelände des Greenparks St. Pölten und sorgten nicht nur für ausgelassene Stimmung sondern auch für ein im Vorfeld ausverkauftes Fest.

Von den Salzburger Weiden in die St. Pöltener Gärten 
Die St. Pöltener hießen die Festivalisten herzlich willkommen, als Gastgeber haben die BürgerInnen das Festival mit Weltoffenheit, weitgehender Akzeptanz und Toleranz mitgetragen. Dennoch mag es einigen Einwohnern wohl sauer aufgestoßen sein, als so manche die Gärten einiger Anrainer mit Campingausrüstung und jeder Menge Bierkisten kurzerhand zum Zeltplatz umgewidmet und früh morgens ihre Leber auf Trinkfestigkeit getestet hatten. Lediglich zwölf Anrufe gab es bei der Anrainer-Hotline im VAZ, acht beim Bürgerservice, fünf bei der Polizei. Und dies bei 120.000 Festival-Besuchern und einem Festival mitten in der Stadt.

So sehr sich die Niederösterreicher über den Zuwachs (und das hereingekommene Geld) freuen, so sehr trauern die Salzburger nun darum. Riesige Müllberge, zerstörtes Grünland und Anrainer mit Schlafmangel. Sieben Jahre lang wurde über diese und andere Zustände protestiert, das Festival scheinbar nie richtig mit offenen Armen in Empfang genommen. Jetzt bleibt nichts anderes übrig, als dazusitzen und das Spektakel viá TV oder Tageszeitungen zu betrachten und in der Sonntagsmesse dafür zu beten, dass das Festival seinen Weg wieder nach Salzburg findet. Bis dahin können die aufgebrachten Bauern das leicht verdiente Körberlgeld (für jedes aus dem Schlamm gezogene Auto) eben nicht in die eigene Tasche sondern in den Klingenbeutel der Dorfkirche stecken.

Die Stadt jubelt über Umsätze
Umsätze der Superlative gab es für die Nahversorger rund ums Festivalgelände des Greenparks. Sei es von Großmärkten, Pensionen oder Privatvermietern, sie alle verzeichneten fulminante Ergebnisse. Laut Marktleitung hat beispielsweise der Merkur-Markt an drei Tagen einen Umsatz wie sonst in einem Monat erwirtschaftet. Da verschmerzt man auch einen "geliehenen" Einkaufswagen, mit dem (umfunktioniert als Gepäckträger) dann auch noch versucht wird, durch die (mit dem Augenmaß erkennbar) viel zu schmale Security-Schleuse zu fahren. Jaja die „seltsamen“ Leute sind wirklich in der Stadt.

Die kilometerlange Zeltstadt entlang der Traisen entwickelte sich schon am Mittwoch zu einem riesigen Camp. Laut Stadtchef Matthias Stadler kamen auch einige Tausend Gäste ohne Eintrittskarte, um einfach nur die entspannte Atmosphäre zu genießen und an den Ufern der Traisen zu chillen. Hierfür wurden eigens Securitys mit sogenannten Wurfsäcken abgestellt, um etwaige Leichtsinnige oder in Hilfe geratene in „Baywatch-Manier“ aus dem „schnell laufenden Fluss“ (Bedeutung der Traisen aus dem keltischen Wort „Tragisama“, welche diesem Namen an dem Wochenende aber nicht annähernd gerecht wurde), zu retten.

Ein Line-Up für jedermann
Musik im Grünen gab es am Frequency in allen Formaten: von klein bis groß. Es ist nicht umsonst die Mutter aller heimischen Alternative-Festivals, das sich immer mehr und mehr jedoch von diesen abseilt und sich mit den englischen Anwärtern mit Namen „Reading“, „Glastonbury“ oder „V Festival“ anfreundet.

Musikalisch gesehen war’s ein guter Mix, auch wenn es auf der Hand liegt, dass solche Großveranstaltungen eben auch nur von „großen Namen“ leben. In diesem Fall: Radiohead. Mag schön sein, dass man es geschafft hat, Radiohead zum ersten Mal nach Österreich zu holen und die Band dann auch noch ein über 2-Stunden-Set mit allen Stückerln spielt. Trotzdem. Jedermann’s Sache wars nicht. Die Radiohead-Setlist vom Frequency liest sich jedenfalls so:

1. 15 Step
2. There There
3. Airbag
4. All I Need
5. Kid A
6. The National Anthem
7. Nude
8. Weird Fishes/Arpeggi
9. The Gloaming
10. Myxomatosis
11. Climbing Up The Walls
12. Street Spirit (Fade Out)
13. Videotape
14. Jigsaw Falling Into Place
15. Karma Police
16. Bodysnatchers
17. Idioteque
18. These Are My Twisted Words
19. Pyramid Song
20. Reckoner
21. (Nice Dream)
22. Paranoid Android
23. Everything In Its Right Place

Musik für die ältere Generation
Nicht nur Radiohead hob den Altersdurchschnitt im Publikum gleich um einige Jahre, auch Jarvis Cocker, Pulp-Sänger auf Solopfaden, glänzte mit verrückten Tanzeinlagen (der gute Herr ist 46) und punktete mit lustigen Erzählungen auch bei den Teenagern in den ersten Reihen.

Heather Nova, die schmale Gestalt mit starker Stimme, setzte zur selben Zeit auf der Race Stage mit Gitarre und Begleitband zu sanften Folk-Balladen und geradlinigem Rock an. Keine Frage: Sie sieht nicht nur hübsch aus, sie schreibt auch schöne Songs. Da grenzt es fast an Unverschämtheit, einer langjährig erfolgreichen Künstlerin, die mitunter seit vielen Jahren zu den interessantesten Sängerinnen der internationalen Popszene gehört und über 1 Million Alben verkaufte, einen Slot um 16:45 Uhr und noch vor den Newcomern aus UK „Little Boots“ zu verpassen. Das hat die zierliche Frau von den Bermudas nicht verdient. Das gleiche Schicksal ereilte auch „The International Noise Conspiracy“, die sogar nur den Opener-Slot bekamen. Ansonsten zeigten sich die Zeiten, Line-Up und Performances wie frisch gebügelt. Solide Auftritte von Bloc Party, The Airborne Toxic Event (Tipp), The Subways, Editors, Ska-P oder den wiedererwachten Selig.

Nightpark, nichts für schwache Indie-Nerven
Hatte man alle Bands des Tages durch, immerhin über fünfundzwanzig verteilt auf vier Bühnen an der Zahl, setzte man seinen Weg in den (angeblich nur 10 Minuten entfernten) Nightpark fort. Entweder hat sich hier jemand einen (schlechten) Scherz erlaubt und die Hinweisschilder an anderen Stellen platziert oder man war sich seiner eigenen Sinne nicht mehr ganz bewusst. Auf jeden Fall war es ein Weg quer durch die halbe Stadt, bei dem einem nicht nur die Beine müde sondern auch die Kehle trocken wurde und man die nächstbeste Dorfdisco zum Nachtanken aufgesucht hat. In dieser angekommen wurde einem schnell klar, dass man nicht in ganz St. Pölten als bekennender Frequenzianer mit Freude aufgenommen wird. Hier war oberste Priorität, sich dem Umfeld anzupassen, sich kleinlaut in eine Ecke zu setzen und so zu geben, als hätte man mit dem Frequency nichts am Hut. Musikalisch gab es dann doch den einen oder anderen Leckerbissen, was man sich vom Nightpark nicht erhoffen konnte. Diesen hätte man, als Fan des Indie-Volkes, am liebsten den Tod gewünscht. Nicht mal die NME Stage konnte dagegen ankämpfen und musste, je näher der Tag hereinbrach, das DJ-Pult kampflos an die elektronische Musik abgeben. Da blieb einem nicht anderes übrig, als das Gelände fluchtartig zu verlassen und in Gedanken im guten alten Partyzelt am Salzburgring zu sein. In der Form kann man sich das das nächste Jahr sparen, denn nicht jeder ist auf Electro gepolt.

Frequency 2010. Einmal ist keinmal. Zweimal ist einmal zu viel?
Es war eine Herausforderung, ein Festival in dieser Größenordnung nach St. Pölten zu bringen. Für ein bis ins kleinste Detail vorbereitetes Festivalgelände, das dem Ansturm von 40.000 Menschen täglich gewachsen sein muß, wurde enorme Logistik geleistet. Doch schon jetzt reden Tagesblätter vom Ende des Anfangs. An 25 Beschwerden von Anrainern soll das Festival scheitern. Gründe seien der viele Müll, Lärm (na no na ned) und die Zeltstädte entlang der Traisen. Angeblich wird geprüft, in welcher Größe und Dichte St. Pölten überhaupt solche Events an diesem Standort noch verträgt. Wir sind uns sicher. 2010. Frequency, St. Pölten, Greenpark.


28.08.2009, 11:21 von M. Tanki


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Frequency Festival
mit Radiohead im Line-Up in St. Pölten

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